Wohnbaugenossenschaft Huebergass (BE)
Gemeinschaftlich, solidarisch, marktwirtschaftlich

Foto: Susanne Goldschmid
In Kürze
Der Name sagt es bereits: An der Huberstrasse in Bern zieht sich eine Gasse aus begrünten Balkonen, Sitzplätzen und Velos durch eine neue Überbauung - die «Huebergass», gesäumt von 103 Wohnungen und entstanden durch das gemeinnützige, privatwirtschaftliche Projekt «Wohnbaugenossenschaft (WBG) Huebergass». Ein vielfältiger Wohnungsmix und diverse Partizipationsmöglichkeiten bieten Menschen unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen Einkommensgruppen und Herkunftsregionen Raum zum Wohnen und Mitwirken. Halbprivate Räume, Clusterwohnungen für experimentelle Lebensformen, Gemeinschaftsräume und ein eigener «Tante-Emma-Laden» sind auf das soziale Herzstück - die «Huebergass» - der Überbauung ausgerichtet. Mit dem neu eröffneten, öffentlichen «Hueberkafi» besteht auch ein Kontaktpunkt der Siedlung zum Quartier. So hat die WBG Huebergass ihre Vision von sozialem, bezahlbarem Wohnen innert kurzer Zeit realisiert. Die Bewohnenden sind Teil einer solidarisches Gemeinschaft, deren Zusammenleben sich auf der «Huebergass» abspielt.
Vision & Ziele
Ein Hauptleitsatz der WBG Huebergass ist es, günstigen Wohnraum zu ermöglichen. Und dieser soll auch wirklich den Personengruppen zur Verfügung stehen, die auf ihn angewiesen sind. Das Projekt ist zwar auf Familien ausgerichtet, doch werden alle Lebensformen der Siedlungsbewohnenden gefördert. Wichtig ist der Genossenschaft, dass Grundwerte wie Mitwirkung, Solidarität und soziale Durchmischung gelebt werden.
Hintergrund
Die WBG Huebergass wurde anlässlich eines (2016 ausgeschriebenen) Investoren- und Projektwettbewerbs der Stadt Bern realisiert. Im Jahr 2021 zogen die ersten Bewohnerinnen und Bewohner ein.
Initiatorin war die Immobilienfirma «Halter AG», die das Projekt mit der spezifisch dafür gegründeten «Wohnbaugenossenschaft Wir sind Stadtgarten» durchführte. Beteiligt waren auch die GWJ Architektur AG und die ORT AG für Landschaftsarchitektur.
Halter AG ist erfahren in der Entwicklung und Realisierung verschiedener städtebaulicher Projekte. Für den Vorstand der WBG Huebergass wurden aber auch gezielt Fachpersonen aus dem Sozialbereich rekrutiert, um die angestrebten sozialen Aspekte besser verwirklichen zu können. Dazu gehört auch das Ziel, günstigen und zentralen Wohnraum zu ermöglichen. Die für die heutigen Massstäbe in der Stadt Bern ungewöhnlich attraktiven Mietpreise wurden zum Beispiel durch tiefe Baukosten, reduzierte persönliche Wohnfläche pro Bewohner:in und einen grossen Anteil an gemeinschaftlicher Fläche realisiert.
Good Practices
Die WBG Huebergass setzt mit ihren Strukturen auf sozial vielfältiges, solidarisches, nachhaltiges und gemeinschaftliches Wohnen. Anliegen werden partizipativ aufgenommen und bearbeitet. Dies resultiert in einer Reihe von informellen Angeboten und einer Gemeinschaft, deren Mitglieder füreinander sorgen.
- Teilhabe & Mitwirkung. Für die WBG Huebergass bedeutet Partizipation, möglichst viele Bewohnende in die Gestaltung des Wohn- und Lebensraums einzubeziehen. Zwar konnten sie nicht zur baulichen Entwicklung beitragen, werden aber für den laufenden Betrieb, und damit für gesellschaftliche Themen, aktiv zum Mitreden animiert. Die Organisationsstruktur sieht dafür verschiedene Gefässe vor: Anliegen können im Rahmen der monatlich stattfindenden Veranstaltung «Hueberforum» deponiert und später dem Vorstand präsentiert werden. Parallel dazu können Bewohnende auf Anregungen hin selbst Arbeitsgruppen bilden und sich den vorgeschlagenen Themengebieten annehmen. Regelmässig werden Informationsveranstaltungen gehalten, um z.B. über Entscheidungsprozesse im Vorstand zu informieren. Heute engagiert sich die Hälfte der Bewohnenden freiwillig. Der Vorstand bemüht sich um ständigen Kontakt mit den anderen Genossenschafter:innen, um rasche und unmittelbare Rückmeldungen zu erhalten.
- Vision & Konzept. Die Vision der WBG Huebergass sieht den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, soziale Durchmischung und Mitbestimmung vor. Gemeinschaftliche Aussenräume ermöglichen die flexible Erweiterung der Privaträume sowie eine ausgewogene Balance zwischen nachbarschaftlichem Leben und Rückzugsmöglichkeiten. Die Gebäude wurden kostenbewusst gebaut, wobei auch das sogenannte «echte Verdichten» angestrebt wurde: Es sollte nicht möglichst viel gebaut werden, sondern möglichst viele Personen sollen in den Gebäuden wohnen können. Um diese Grundpfeiler der Wohnbaugenossenschaft allen Bewohnenden näherzubringen, wird der enge Austausch mit dem Vorstand betont. Die Haltung wird den Genossenschafter:innen am «Hueberforum» oder an Workshops vermittelt, damit sie bleibend in der WBG Huebergass verankert und auch gelebt wird.
- Generationenverbindend. Der WBG Huebergass ist das Miteinander (statt Nebeneinander) der Generationen wichtig. Die Wohnungsvergabe richtete sich nach Kriterien, welche die demographische Situation des Quartiers abbilden sollen. Zusätzlich wurden Kriterien wie die Bereitschaft für freiwilliges Engagement im Vorfeld erfasst. Mittlerweile ist der Generationenaustausch in sämtliche Bereiche des genossenschaftlichen Lebens der WBG Huebergass integriert – beispielsweise beim Gartenprojekt, das von verschiedenen Altersgruppen gemeinsam umgesetzt wird. Auch haben sich informelle Hilfsangebote wie IT-Support oder Kinderhüten ergeben. Es besteht eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Alter, um die Interessen von älteren Personen zu vertreten und sowohl generationenübergreifende wie auch altersspezifische Anlässe zu planen.
Erfahrungen
Bereits in der Bewerbung für den Wettbewerb der Stadt Bern waren die Ziele für die «WBG Huebergass» definiert, die den künftigen Projektzielen entsprachen. Fünf Jahre später ist klar: Sie wurden grösstenteils erreicht. Das Beispiel «Huebergass» zeigt, dass bezahlbarer städtischer Wohnbau möglich ist. Alle Wohnungen sind vermietet an diejenigen Personen, die sie brauchen. Eine 4.5 - Zimmerwohnung kostet ca. 1'500 Franken; einige 5.5 - Zimmerwohnungen gar nur 1'100 Franken pro Monat – allerdings gelten hierfür strenge Zugangsbedingungen.
Zusammen mit den weiteren Vergabekriterien entwickelte sich eine diverse Gesellschaft an der Huebergasse, welche auf verschiedenen Ebenen im Betrieb mitwirkt und Solidarität lebt. Als herausfordernd stellt sich die Übergabe vom alten zum neuen Vorstand heraus; ein Prozess der Zeit braucht, während gleichzeitig viele Entwicklungen in schnellem Tempo laufen. Der Vorstand war bis anhin mehrheitlich mit Projektverantwortlichen besetzt und soll nun komplett durch Bewohnende der WBG Huebergass abgelöst werden. Als Variante wäre eine Übergangsphase mit doppelt besetztem Vorstand denkbar gewesen, in welchem Tandems aus jeweils einem neuen und alten Vorstandsmitglied zusammenarbeiten würden.
Webseite & Kontakt
https://www.halter.ch/de/projekte/huebergass
herbert.zaugg@huebergass.ch
Erfassungsdatum: 02.06.22