Custode Sociale – Soziale Abwartin (TI)
Eine Funktion, die in einem gut durchdachten Versorgungsmodell den Unterschied macht

In Kürze
Im Rahmen eines breit angelegten, integrierten und koordinierten Versorgungskonzepts, sichert ABAD (Spitex Bellinzona) mit der Funktion des/der Concierge oder Sozialen Abwart:in «Custode Sociale (C.S.) di paese/quartiere» den Erhalt sozialer Beziehungen von älteren Menschen, die in ihren «eigenen vier Wänden» leben und betreut werden. Morgens leistet die/der C.S. den Senior:innen die nötige ambulante Pflege und Betreuung. Zusätzlich bieten die C.S. an einigen Nachmittagen pro Woche, zusammen mit Freiwilligen der Gemeinde, aktivierende und soziale Anlässe in einem gemeinsamen Raum vor Ort an. Während der Woche ist der/die soziale Abwart:in telefonisch erreichbar, greift bei unvorhergesehenen Anliegen ein, berät, informiert und schafft aktiv ein Netzwerk an Beziehungen.
Vision & Ziele
Zweck der Associazione Bellinzonese per l’Assistenza e cura a Domicilio (ABAD, Spitex Bellinzona) ist es, Menschen jeglichen Alters, die unter einer Krankheit leiden, einen Unfall hatten, körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen aufweisen, sozio-familiäre oder altersbedingte Schwierigkeiten haben, usw. beim Verbleib in ihrem Zuhause zu unterstützen und diesen überhaupt zu ermöglichen. Die Zielsetzungen umfassen:
- Die regelmässige Anwesenheit einer im sozialen und medizinischen Bereich ausgebildeten Person zu gewährleisten, die auch innert kurzer Zeit eingreifen kann;
- Eine konstante Anlaufstelle zu garantieren, das Sicherheitsgefühl zu steigern und den älteren Menschen und ihren Angehörigen Unterstützung zuzusichern;
- Der sozialen Isolation vorzubeugen, ihr entgegenzuwirken und die älteren Menschen spüren zu lassen, dass sie ein aktiver Teil der Gesellschaft sind;
- Die pflegenden Angehörigen zu unterstützen und zu entlasten;
- Soweit und solange wie möglich den Wunsch der älteren Menschen zu unterstützen, in ihrem angestammten Zuhause zu bleiben;
- Sich um die Information, die Koordination oder die Aktivierung anderer Dienstleister zu kümmern, die den Verbleib zuhause unterstützen.
Hintergrund
Ausgangspunkt für die Entwicklung dieses neuen Konzepts war die Erkenntnis, dass das aktuelle Versorgungskonzept für Senior:innen dem gegenwärtigen Kontext nicht (mehr) angepasst ist (wenige oder zu entfernte Tageszentren, Risiko der Marginalisierung, mangelndes Angebot zur Unterstützung und Sicherheit der Betroffenen und ihrer Angehörigen, usw.) Ein neues Ziel wurde daher ins Auge gefasst: den Menschen den Verbleib in ihrem Zuhause zu gewährleisten, indem gezielt verschiedene Akteure des formellen und informellen Netzwerks für die Pflege und Betreuung eingesetzt werden.
2018 wurden auf eine private Initiative hin in der Gemeinde Cadenazzo altersgerechte Wohnungen geschaffen, mit einem gemeinsamen Raum, den der/die residenzinterne soziale Abwart:in verwaltet. Die C.S. steht in Kontakt mit den Bewohnenden, schlägt gemeinsame Aktivitäten vor und verbindet die Bewohnenden mit dem umliegenden Quartier.
Good Practices
Der Schlüssel des Projekts liegt in seiner lokalen Verankerung. Ein grundlegendes Element liegt in der aktiven Einbeziehung der Freiwilligen vor Ort. Ebenso wichtig sind die Beziehungen zu zahlreichen Trägerschaften und Vereinen in der Gegend.
- Bedürfnis- & Bedarfsorientierung. Das Projekt richtet sich in erster Linie an Personen, die bereits von ABAD in ihrem Zuhause unterstützt werden und an deren pflegende Angehörige. Die Kundinnen und Kunden können aber auch von anderen Spitex-Organisationen versorgt sein oder keine Spitex-Dienstleistungen beziehen. Die Bekanntmachung des Angebots läuft über Flyer, Mund-zu-Mund-Propaganda, und/oder via die Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den ansässigen Vereinen. Dank des direkten Kontakts und den vertrauensvollen Beziehungen, die sich mit der Bevölkerung entwickeln, richten sich die Aktivitäten nach den Bedürfnissen und den Möglichkeiten jedes Einzelnen. Da die sozialen Abwarte einen Bezugspunkt (eine Anlaufstelle) für das Quartier darstellen, erhalten sie direkten Einblick in die Bedürfnisse vor Ort und können die Angebote entsprechend ausrichten bzw. anpassen.
- Formelle & informelle Hilfe. Für den Erfolg des Projekts und das Erreichen der Ziele ist die Beteiligung der verschiedenen formellen und informellen Akteure unabdingbar. Die Beteiligung der Freiwilligen basiert auf einem vorangehenden Mapping der lokal aktiven Trägerschaften und Vereine. Die Freiwilligen selbst gelten als die zentralen Ressourcen. So werden sie auch genannt: «Ressourcen Bürger:innen» (cittadini risorsa). Sie beteiligen sich direkt an der Ausarbeitung und Umsetzung der Angebotspalette. Aktive Mitwirkung steht auch bei allen Gruppenaktivitäten im Vordergrund, die von den Teilnehmern selbst definiert und organisiert werden.
- Koordination & Vernetzung. Das Projekt geht von den im Umfeld vorhanden Ressourcen aus. Dazu gehören die Freiwilligen als ressourcenreiche Bürger:innen und die Beziehungen zu den öffentlichen Institutionen, verschiedenen Trägerschaften und Vereinen des sozialmedizinischen Bereichs. Indem die C.S. mit allen in Kontakt steht, wird sie zur wichtigen Bezugsperson, vermittelt detaillierte Informationen, hilft Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen und kennt die individuellen Bedürfnisse ebenso wie den konkreten Bedarf an Angeboten vor Ort. Der/ die Concierge wird so zur Koordinator:in zahlreicher Dienstleistungen, z.B. für Mahlzeiten und Hilfsmitteldienst, Transportmöglichkeiten, Sozialberatung, vorübergehende Unterbringung in einem Alters- und Pflegezentrum, Haushaltshilfen, usw. Dieses Netzwerk hilft auch Ressourcen zu optimieren.
Erfahrungen
Das Modell der Custode Sociale im Dorf/Quartier basiert auf Mitwirkung der Bevölkerung und Organisationen vor Ort. Ein gutes «Mapping» der örtlichen Partner und der möglichen Freiwilligen (cittadini risorsa) gewährleistet eine solide Entwicklung der Vernetzung von formellen und informellen Ressourcen (inkl. Freiwilligenarbeit, Zivildienst, Beschäftigungsprogramme etc.).
Nach einer ersten Umsetzung in Cadenazzo geht das Projektmodell von der Experimentierphase zur Konsolidierungsphase über. Ausgehend von den gemachten Erfahrungen, wird ein Modell ausgearbeitet, um das Projekt auch in andere Orte zu übertragen (aktuell drei bald fünf Gemeinden). Dafür wird an einem theoretischen Rahmen gearbeitet, der leicht verständlich und übertragbar auf andere Kontexte ist, damit das Projekt gut an die jeweiligen spezifischen Zusammenhänge angepasst werden kann.
Webseite & Kontakt
www.abad.ch/custodi-sociali-di-paese-quartiere/
roberto.mora@abad.ch
Erfassungsdatum: 16.02.22